„Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt“. Hat man so etwas schon erlebt? Da denkt man doch, man lebe in einer ständigen Seifenblase, die wohl nie zu platzen droht, da kommt eine her und meint, das alles war nur ein verträumter Schlaf, der Alptraum kommt erst noch! Wo bitte ist die Realität, die ein Politiker braucht, um das Land zu führen? Die Erklärung ist die: Sobald er die Straße nicht mehr „von unten“ her betritt, verliert er den Blick für sie. Der Gedanke, lieber eine Leiche zu viel im Keller, als Tote auf der Straße, erstickt die Handlung der „Demokraten“. Warum nicht einfach mal sagen: „Ja, wir haben Fehler gemacht. Wir müssen von vorne beginnen! Neu anfangen!“
Es ist erschreckend, dass Splittergruppen wie Unkraut aus dem Boden schießen, Petitionen schreiben und Unterschriften sammeln, eine außerparlamentarische Opposition bilden und: Recht haben! Was, wenn sie es einmal schaffen, die Massen für sich zu begeistern? Was, wenn sie ihre Ziele gewaltsam und nicht demokratisch verwirklichen wollen?
Was passiert, wenn eine Splittergruppe plötzlich 2/3 der Bevölkerung hinter sich hat, wissen wir ja. Zwar wurden die entsprechenden Artikel abgeschafft, die es solch einer Gruppe ermöglichten „legal“ an die Macht zu kommen, doch welchen gewaltbereiten Vorkämpfer hindert ein Artikel? Zumal die führenden Demokraten selbst nicht über die Artikel, die sie vertreten genug informiert zu sein scheinen:
„Die Würde des Menschen ist antastbar“ schreibt Ulrike Meinhof vor circa 40 Jahren. Warum um alles in der Welt, hat sie heute noch damit Recht? Wohin diese Erkenntnis führte bekam die gesamte junge Bundesrepublik zu spüren. Doch mit welcher Konsequenz? Die Regierung wurde zur „Rettung der Nation“, die die BRD vor den menschenfeindlichen Terroristen befreite! Doch wie definiert man in einer demokratischen Gesellschaft Terrorismus? Schmeißt man einen Frosch in heißes Wasser, dann springt er sofort aus dem Topf und rettet sich das Leben. Legt man ihn in kaltes Wasser und erhitzt es langsam, dann stirbt er in dem heißer werdenden Wasser. Wer also sagt, dass es legitim ist, Teile der Menschenbevölkerung Stück für Stück zu verheizen, zu verbrauchen und abzuwracken?
„Auch wenn das Bildungsressort sparen muss, wäre es fahrlässig, ausgerechnet bei der ohnehin unterfinanzierten frühkindlichen Bildung zu sparen. Bei jeder Vergleichsstudie wird an Deutschland appelliert, die Schieflage bei der Finanzierung zugunsten des tertiären Sektors aufzugeben und mehr in die Grundbildung zu investieren. Gelingt es, Kinder rechtzeitig vor einem Schulabbruch mit Bildungsabschluss „Hartz-IV-Empfänger“ zu bewahren, spart das ein Vielfaches der späteren Kosten für teure Auffang- und Übergangssysteme, die häufig genug nicht in einer Beschäftigung enden. Auch wenn mehr Geld nicht automatisch klüger macht (Tillich), kann zu wenig Geld an der richtigen Stelle dümmer machen.“ (Heike Schmoll, FAZ, 15.05.10)
Wo sind die Ideale der Aufklärer geblieben? Wer erzieht unsere Kinder noch zu mündigen Menschen, wenn es die „Vertreter des Volkes“ nicht tun wollen oder besser gesagt, nicht können? Es würde sich keiner wundern, wenn der Trend des Auswanderns aus Deutschland innerhalb der älteren Generationen bald auch in jüngere Gesellschaftsschichten weiterreicht. Jeder dritte Studierende, der im Ausland war, ist sich sicher: Ich werde Deutschland wieder verlassen. Warum? Viele Inseln der Möglichkeiten im Sumpf der Demokratie.
1918 wurde noch das Volk beschimpft, das für eine „Demokratie ohne Demokraten“ sorgte. Was ist besser an einer demokratischen Regierung ohne Regierungs-Demokraten? Da ist gewaltig etwas schiefgelaufen! Da läuft gewaltig etwas schief! Da wird noch viel mehr schief laufen. Wenn eine Finanzkrise eine komplette Idee, wie die der europäischen Union zum Wanken bringt, wenn immer mehr Jugendliche zu Gewalttätern werden, weil sie keine andere Waffe gegen den „verfetteten Mittelstand“ sieht, wenn immer mehr Lehrer über überforderte Schüler klagen und wenn ein Land, das ein nicht kriegsführendes Land ist Soldaten an der Front verrecken lässt, dann wird etwas passieren! „Es muss aber auch darüber geredet werden, wie man es wieder hinkriegt, dass in Europa nicht das Geld und die Finanzmärkte das Sagen haben, sondern die Volksvertretungen und die von ihnen gewählten Regierungen. Demokratie ist Selbstbestimmung, die Parlamente sind Organe dieser Selbstbestimmung. Wenn sich das Gefühl verfestigt - sei es in Griechenland, sei es in Deutschland, aus jeweils anderen Gründen - dass Parlamente nur noch Abnickstationen sind für angeblich alternativlose Entscheidungen, dann wird die Demokratie delegitimiert.
Demokratie ist eine Gemeinschaft, in der Menschen ihre Zukunft miteinander gestalten. Die Dirigenten der Finanzmärkte haben sich aus diesem Miteinander ausgekoppelt. Das war und ist die Ursache für die internationale Finanzkrise, in der das griechische Desaster eine neue Etappe darstellt. Banken, die vor zwei, drei Jahren von den Staaten gerettet wurden, wetten und spekulieren jetzt auf den Bankrott ihrer Retter, der Wohltäter von damals. Bisher schreitet die Politik dagegen nicht ein, sie unterbindet solch groben Undank nicht - sondern versucht nur, die schlimmen Folgen dieses groben Undanks zu minimieren. […]Wenn die Parlamente zur Kläranlage für die Fäkalien der Finanzmärkte verkommen, muss Demokratiealarm ausgerufen werden.“ „Wirtschaftskrisen und die Stabilität eines Landes sind immer eng miteinander verflochten - auch das ist eine Lehre aus der Misere.“ (Stefan Kornelius, SZ).
„Heute vor 40 Jahren begann das, was als Krieg gegen den westdeutschen Staat bezeichnet wird. Am 14. Mai 1970 wurde Andreas Baader, der Kaufhausbrandstifter, aus der Untersuchungshaft befreit. Die Journalistin Ulrike Meinhof war dabei und ging in den Untergrund. So begann die Geschichte jener Terrororganisation, die sich selbst als Rote Armee Fraktion bezeichnete und in der Öffentlichkeit Baader-Meinhof-Gruppe oder Bader-Meinhof-Bande genannt wurde“ (Klaus Pokatzky im Gespräch mit Michael Sontheimer).
Die Generation 2.0 steht in direkter Nachfolge dieser ersten „Revolutionäre“ in der BRD. Aus ihren Fehlern haben wir gelernt. „Astrid Proll meinte auf Nachfrage, dass die erste Generation der RAF damals an die Revolution glaubte und sich durch ihre Mutigkeit ausgezeichnet hatte. Ihre weiteren Ausführungen zeigten jedoch ein Bild einer Gruppe von naiven Menschen auf. Menschen, die daran glaubten, all ihre Gefangenen aus den Gefängnissen mit Gewalt herausholen zu können. Menschen, die daran glaubten, dass mit geladenen Waffen nicht geschossen würde. Schliesslich fügte Proll hinzu, dass die heutige Zeit nicht mit damals vergleichbar wäre. Damals hätte es ein grosses Potenzial und wegen der nahen nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands ein sozialer Sprengstoff bestanden. Das ehemalige RAF-Mitglied bezog sich dann noch auf Gruppen in anderen Ländern, die es zur damaligen Zeit gab. Astrid Proll bemerkte, dass sich die erste Generation der Rote Armee Fraktion in der Gewaltfrage an der Black Panther Party orientiert hatte. Sie demonstrierten ihre Waffen! Wollten aber keine Menschen erschiessen. […] Astrid Proll ging für meinen Geschmack zu wenig (eigentlich überhaupt nicht) auf die aktuellen Ereignisse und militanten Gruppen ein. Ansonsten eine nette Promotion mit leckeren Essen“ (Roland Ionas Bialke). Die Regierung muss sich aber im Klaren darüber sein, dass wir neue Wege finden werden, um gegen Ungerechtigkeit vorzugehen. Wir werden kämpfen! Ohne technische Waffen! Aber die stärkste Waffe, der Wille des Menschen zum Handeln, wird den unerbittlichen Widerstand möglich machen.
Der erste Schritt unserer Revolution von unten wird sein, dafür zu sorgen, dass sich jeder einzelne Bürger seiner Rechte und Möglichkeiten bewusst wird. Mit dem Motto „Bildung durch Kultur!“ werden wir für eine aufgeklärte und zum Handeln bereite Bevölkerung errichten! In Form von gewaltfreien Aktionen werden wir Kultur unter die Menschen bringen. Auf den Straßen und in Häusern. Wir werden selbst Kunst produzieren und sie unentgeltlich zur Verfügung stellen. Jeder hat das Recht auf Bildung!
Sonntag, 16. Mai 2010
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